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Wie ein Auto den Spiegel zum Leben aufzeigen kann

Es gibt Gedanken und Reaktionen, die oft leichtfertig mit „typisch Mann“ oder „typisch Frau“ in eine Schublade gepackt werden. Doch ein Thema betrifft alle Menschen, sogar alle Lebewesen: Die Vergänglichkeit. Doch auch Sachen bleiben davon nicht verschont. Egal, ob es sich um ein Lieblingskleidungsstück handelt oder Dinge auf dem Speicher, im Keller oder in der Garage. Wir kommen mit leeren Taschen auf die Welt und gehen auch ohne materielle Dinge wieder. Diese Tatsache unterstützt mich im Freigeben, egal ob Sachen oder Menschen und befreite mich auch vom Bedürfnis krampfhaft festhalten zu wollen. Mir ist bewusst, dass das Leben ein ständiger Veränderungsprozess ist und in meinem Leben bin ich die Choreografin.

Heute wurde eine Karosserie aus dem Jahr 1970 vom Schrotthändler abgeholt, nachdem die letzten Wochen das Auto sprichwörtlich „ausgeschlachtet“ wurde. Viele Menschen kennen wahrscheinlich die Marke Saab gar nicht mehr, da sie seit vielen Jahren nicht mehr produzieren. Das Auto wurde zum Teilespender. Teilespender, habe ich in jungen Jahren nie mit der Organspende zusammengebracht, doch dazu komme ich in einem anderen Beitrag.

Der Prozess, wie das Auto nach und nach demontiert wurde, war total spannend und auch freudig. Es war schön zu sehen, was geschafft wird. Irgendwie auch erschütternd, was unter dem Lack alles zum Vorschein kam und wie viele Schwachstellen gar nicht ersichtlich waren oder ich nicht sehen wollte. Es ist notwendig Platz zu schaffen und sich auch immer wieder im Freigeben zu üben. Ca. 20 Jahre stand das Auto nur in der Garage rum. Mir kommt der Gedanke „Ich bedauere…“  doch nicht, weil ein rostiges Schätzchen nun verschrottet wird, sondern was mir die Zeit sagen möchte. Ich weiß noch wie heute, welche Pläne ich hatte, als das Auto endlich zu Hause stand. Einst war es mal die Restauration zu einem Klassiker, danach war es eine tiefergelegte aufgemotzte Version um zu cruisen. Der Gedanke, dass der Kombi ein Serviceauto optisch passend zum Rallyauto wird, sagte mir auch zu. Nun ist es weg. Es ist toll, wie viele Teile davon noch anderweitig verwendet werden können, doch ist mir auch bewusst wie schnell fast 20 Jahre vergingen.

Die Löffelliste (= Die Liste die erledigt sein möchte, bevor der Löffel abgegeben wird) vom Auto hat sich von selbst erledigt, doch dadurch gehe ich gerade durch was sonst noch vor ca. 20 Jahren auf meiner Liste für mich selbst stand und ich muss einfach schmunzeln. Wie schön ist es, dass uns noch so unwichtig erscheinende Situationen, das Geschenk und das Bewusstsein über das Leben aufzeigen können.

Vor ca. 20 Jahren hätte ich ein tiefes Bedauern und einen ganz tiefen Schmerz verspürt und mich wahrscheinlich gesuhlt, wie ungerecht es ist, nicht genug Platz und Co. zu haben. Doch heute ist eben heute.

Heute sehe ich das Geschenk, welche Ideen und Visionen ich „nur“ für ein Auto hatte und was ich mir dadurch erlaube. Ich bin dankbar, wie viel Leidenschaft ich mit anderen Menschen über die Jahre teilen konnte und immer noch darf. Egal ob Treffen im Inland oder Ausland, Rallys oder auch der Austausch in meiner Familie über Autos und die Geschichten drum rum. Meine Familie lacht heute noch, wenn wir uns über den bleibenden Eindruck gewisser Kleidungsstücke austauschen oder dass Veranstaltungsorte (Motorsport) nur in Kombination mit Bratwurst- und Grillfleischsemmeln in Erinnerung blieben.

Schon wieder schmunzle ich, denn ich verstehe immer mehr, was mir damals die „alten“ Menschen sagten: „Genieße das Leben, denn je älter du wirst, umso schneller verfliegt die Zeit.“ Doch heute verdrehe ich nicht wie vor 20 Jahren die Augen, sondern denke mir: Oh ja, genau so ist es und ich freue mich immer wieder in die Tiefe des Lebens einzutauchen und mich des Lebens zu freuen.

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